Elbtalschule / Elbtal

Weihnachtsmärchen „Pinocchio“ feiert im Staatstheater Wiesbaden Premiere

Dieser Beitrag ist abgelaufen: 12. Januar 2012 00:00

13.11.2011 - WIESBADEN

Von Julia Anderton



Ach ja, die Jugend von heute! Flegelhaft ist sie, nur auf ihr Vergnügen bedacht. Und sowieso war ja früher alles besser, als noch Zucht und Ordnung den Erziehungsalltag prägten! Oder? Dass Carlo Collodis Geschichte von dem hölzernen Bengel Pinocchio, der nur Unfug und sich selbst im Kopf hat, bereits 130 Jahre auf dem Buckel hat, beweist vielmehr, wie normal es ist, dass kleine Egoisten Zeit brauchen, das Beste aus sich selbst heraus zu holen.

So ist die Inszenierung von „Pinocchio“, dem diesjährigen Weihnachtsmärchen des Hessischen Staatstheaters, Balsam für die elterliche Seele - in erster Linie aber ein riesiges Vergnügen für Groß und Klein. Denn kaum hat sich der sprechende Brennholzklotz dank Meister Gepettos (Wolfgang Zarnack) Schnitzkunst in eine Holzpuppe verwandelt, bringt er heilloses Chaos in die italienische Dorf-Idylle und seinen Erschaffer ins Gefängnis. Die Ermahnungen der wohlmeindenden, aber spaßbefreiten Grille (Elke Opitz) ignoriert er tunlichst, isst Gepetto das letzte Haar vom Kopf und lässt allen Versprechungen zum Trotz die Schule sausen.

Unbedarft und frei von jeder Hinterlist

Dennoch hat Pinocchio die Sympathien auf seiner Seite, denn Sergej Gößner stellt ihn zwar egoistisch und faul, aber auch neugierig, unbedarft und frei von jeder Hinterlist dar. Somit ist er das perfekte Opfer für falsche Freunde wie Herr Katz (Matthias Brüggenolte, mit toller Singstimme) und der ach so charmanten Madame Fuchs (Lilian Mazbouh, dem heimlichen Star der Inszenierung), die vor keiner Gemeinheit zurückschrecken, um ihm seine Goldmünzen abzuluchsen. Wie gut, dass die blaue Fee (Carolin Freund) sich immer wieder als Retterin in der Not erweist - doch letztlich hat es nur Pinocchio allein in der Hand, sein Wesen zu ändern und somit zu einem echten Menschenjungen zu werden.

So weit, so bekannt ist die Handlung. Regisseur Oliver Wronka konzentriert sich zwar auf die wichtigsten Stationen von Pinochios Reise, schafft es aber mit allerhand pfiffigen Einfällen, dem Treiben im Großen Haus eine persönliche Note zu verleihen. So sucht das fiese Fuchs-Katzen-Duo Pinocchio mit einem Metalldetektor nach den versteckten Münzen ab und die skurrilen Diener-Hasen schleppen demonstrativ einen Sarg an, um den medizinverweigernden Pinocchio einen Schrecken einzujagen. Und Pinocchio, der schließlich wegen seiner offensichtlichen Dummheit ins Gefängnis geworfen wird, stellt Wronka in seiner emanzipierten Fassung keinen hemdsärmeligen Kumpel, sondern die mutige Lucia (Claudia Plöckl) zur Seite, die ihn dazu bringt, seine beim Lügen wachsende Nase zum Hangeln des Gefängnisschlüssels einzusetzen.

Herausforderung für das Ensemble

Bevor erwartungsgemäß die große Läuterung einsetzt, ist Pinocchio endlich zum Schulbesuch bereit (Bildung fällt zwar nicht vom Himmel, Lehrbücher dank der blauen Fee und Luftballons dann aber schon) und rettet vorher noch rasch Gepetto aus dem Magen des Monsterhais (der Blick ins sperrangelweit aufgerissene Maul des Untiers ist beeindruckend, Bühnenbild: Bernd Holzapfel). Ein rundum gelunge Inszenierung, in der Kostüme (Heike Ruppmann), Bühnenbild und Videoprojektionen mit genialen Details wie dem sich verdunkelnden Mond beim Auftritt der Bösewichte wie Zahnrädchen perfekt ineinander greifen.

Die wahre Herausforderung jedoch hat das Ensemble zu bewältigen: da sind nicht nur die zahlreichen Rollenwechsel, fast jeder Darsteller spielt dazu noch ein Instrument und singt, auch wenn auf die großen Stücke und Choreografien weitgehend verzichtet wird. Ebenso auf ein Orchester, stattdessen sorgen die Straßenmusikanten unter der Leitung von Timo Willecke für Live-Musik. Und allein dafür, Howard Carpendales „Ti amo“ in „Du Holzkopf“ umzudichten und zum Szenenwechsel das Intro von „Pulp Fiction“ auf Gitarre und Xylophon zu spielen, gibt es ein goldenes Extra-Sternchen.



| 13.12.2011