VBE kritisiert Lernstandserhebungen scharf
Dieser Beitrag ist abgelaufen: 13. Juni 2010 00:00
Lernschwache hoffnungslos überfordert
Leistungsstarke erleben Frust
Unmöglicher Umgang mit noch unverbindlichen Bildungsstandards
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Hessen befürchtet aufgrund
der Lernstandserhebungen, die jetzt hessenweit in allen dritten
Grundschulklassen geschrieben wurden, Frusterlebnisse für die
Zweitklässler bei den anstehenden Lesetests.
Fassungslos zeigte sich der stellvertretende Vorsitzende des VBE
Hessen, Stefan Wesselmann, über die diesjährigen
Lernstandserhebungen. Umfang, Art und Bepunktung der Arbeiten, die
bis zum vergangenen Jahr „Orientierungsarbeiten“ hießen, ließen
vielfältige Kritik zu, äußerte Wesselmann bei einer
Verbandsveranstaltung in Mainhausen.
Bei Klassenarbeiten erwarte man von Schülerinnen und Schülern im
dritten Schuljahr - gemäß Verordnung - eine konzentrierte Arbeit von
nur bis zu 30 Minuten. „Gut, dass Lernstandserhebungen keine
Klassenarbeiten sind, sonst hätte wahrscheinlich eine Klagewelle aus
der Elternschaft das Land überrollt“, kommentierte Wesselmann den
zeitlichen Umfang. „Den Drittklässlern wurden demgegenüber innerhalb
von 6 Unterrichtstagen zwei 40-minütige Überprüfungen der
Deutschleistungen und eine rund 90-minütige Überprüfung der
mathematischen Leistungen zugemutet.“
Der VBE kritisiert darüber hinaus, dass im Fach Mathematik
schwerpunktmäßig Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit abgefragt wurden,
mit denen sich die meisten Drittklässler bis dahin noch nicht beschäftigt
hatten. Wichtige Bereiche wie beispielsweise Geometrie und Größen
kamen unterdessen nicht einmal am Rande vor.
Nicht nachzuvollziehen seien auch die Korrektur- und
Bepunktungsvorschriften in beiden Fächern. Für Aufgaben mit bis zu
fünf Teilaufgaben konnten die Kinder insgesamt nur einen Punkt
erzielen; wurde beispielsweise eine von fünf Fragen falsch beantwortet,
erhielt das Kind für die gesamte Aufgabe null Punkte. „Was uns solche -
unter erheblichem Zeitaufwand erhobenen - undifferenzierten
Ergebnisse für die Weiterarbeit in unserer Klasse bringen sollen, ist auch
meinen Kolleginnen ein Rätsel!“, fokussierte der verärgerte
Gewerkschafter. Er kritisierte dazu den Verlust an Zeit für Unterricht und
Unterrichtsvorbereitung, denn die Lernstandserhebungen orientieren
sich nicht am aktuellen Unterricht und dürfen daher auch nicht als
Klassenarbeit zur Notenfindung herangezogen werden. „Zudem ist es
nicht nachzuvollziehen, dass Hessen die landesweiten Aufgaben seit
Jahren auf Grundlage der Bildungsstandards konzipiert, die verbindliche
Einführung der Standards für die Schulen aber jährlich verschiebt.“
Wesselmann, der selbst auch Schulleiter und Klassenlehrer einer dritten
Klasse ist, fasste den landesweiten Unmut abschließend zusammen:
„Solche Lernstandserhebungen überfordern Lernschwache
hoffnungslos, frustrieren selbst Leistungsstarke und nehmen Lehrkräften
den letzten Rest an Vertrauen, den sie dem Institut für
Qualitätsentwicklung noch entgegengebracht haben.“